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Ethische Leitlinien

Die Ethischen Leitlinien der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) wurden am 29. Juni 2018 vom Präsidium der GI verabschiedet. Sie ersetzen die 1994 erstmals formulierten und 2004 überarbeiteten Leitlinien und wurden maßgeblich von der Fachgruppe „Informatik und Ethik“ unter Beteiligung der Mitglieder der GI entwickelt.

Präambel

Die Gesellschaft für Informatik e.V. (GI) will mit diesen Leitlinien bewirken, dass berufsethische oder moralische Konflikte Gegenstand gemeinsamen Nachdenkens und Handelns werden. Die Leitlinien sollen den GI-Mitgliedern und darüber hinaus allen Menschen, die IT-Systeme entwerfen, herstellen, betreiben oder verwenden, eine Orientierung bieten. 

Die vorliegenden Leitlinien sind Ausdruck des Willens der GI-Mitglieder, ihr Handeln an den Werten auszurichten, die dem Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu Grunde liegen. 

Die GI und ihre Mitglieder verpflichten sich zur Einhaltung dieser Leitlinien. Sie wirken auch außerhalb der GI darauf hin, dass diese im öffentlichen Diskurs Beachtung finden. 

Die GI-Mitglieder fühlen sich insbesondere dazu verpflichtet, die Menschenwürde zu achten und zu schützen. Wenn staatliche, soziale oder private Normen im Widerspruch zu diesen Werten stehen, muss dies von den GI-Mitgliedern thematisiert werden. 

Die GI-Mitglieder setzen sich dafür ein, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme durch ihr Handeln zu befördern. 

Die GI-Mitglieder treten dafür ein, dass Organisationsstrukturen frei von Diskriminierung sind, und berücksichtigen bei Entwurf, Herstellung, Betrieb und Verwendung von ITSystemen die unterschiedlichen Bedürfnisse und die Diversität der Menschen. 

Die GI-Mitglieder wollen den Diskurs über ethische und moralische Fragen ihres individuellen und institutionellen Handelns mit der Öffentlichkeit aufnehmen und Aufklärung leisten. In einer vernetzten Welt ist es notwendig, Handlungsalternativen im Hinblick auf ihre absehbaren Wirkungen und möglichen Folgen interdisziplinär zu thematisieren. Hier ist jedes Mitglied gefordert. 

Der offene Charakter der nachfolgenden Artikel macht deutlich, dass es keine abschließenden Handlungsanweisungen oder starren Regelwerke für moralisch gebotenes Handeln geben kann. 

Art. 1 Fachkompetenz 

Das GI-Mitglied eignet sich den Stand von Wissenschaft und Technik in seinem Fachgebiet an, berücksichtigt ihn und kritisiert ihn konstruktiv. Das GI-Mitglied verbessert seine Fachkompetenz ständig.

Art. 2 Sachkompetenz und kommunikative Kompetenz 

Das GI-Mitglied verbessert laufend seine Sachkompetenzen und kommunikativen Kompetenzen, so dass es die seine Aufgaben betreffenden Anforderungen an Entwurf, Herstellung, Betrieb und Verwendung von IT-Systemen und ihre fachlichen und sachlichen Zusammenhänge begreift. Um die Auswirkungen von IT-Systemen im Anwendungsumfeld beurteilen und geeignete Lösungen vorschlagen zu können, bedarf es der Bereitschaft, die Rechte, Bedürfnisse und Interessen der Betroffenen zu verstehen und zu berücksichtigen. 

Art. 3 Juristische Kompetenz 

Das GI-Mitglied kennt und beachtet die einschlägigen rechtlichen Regelungen bei Entwurf, Herstellung, Betrieb und Verwendung von IT-Systemen. Das GI-Mitglied wirkt im Rahmen seiner Fach- und Sachkompetenzen an der Gestaltung rechtlicher Regelungen mit. 

Art. 4 Urteilsfähigkeit 

Das GI-Mitglied entwickelt seine Urteilsfähigkeit, um an Gestaltungsprozessen in individueller und gemeinschaftlicher Verantwortung mitwirken zu können. Dies setzt die Bereitschaft voraus, das eigene und das gemeinschaftliche Handeln im gesellschaftlichen Diskurs kritisch zu hinterfragen und zu bewerten sowie die Grenzen der eigenen Urteilsfähigkeit zu erkennen. 

Art. 5 Arbeitsbedingungen 

Das GI-Mitglied setzt sich für sozial verträgliche Arbeitsbedingungen mit Weiterbildungs-und Gestaltungsmöglichkeiten ein. 

Art. 6 Organisationsstrukturen 

Das GI-Mitglied tritt aktiv für Organisationsstrukturen ein, die sozial verträgliche Arbeitsbedingungen sowie die Übernahme individueller und gemeinschaftlicher Verantwortung fördern und ermöglichen. 

Art. 7 Lehren und Lernen 

Das GI-Mitglied, das Informatik lehrt, fördert die Fähigkeit zum kritischen Denken, bereitet die Lernenden auf deren individuelle und gemeinschaftliche Verantwortung vor und ist hierbei selbst Vorbild. Das GI-Mitglied, das in Schule, Hochschule oder Weiterbildung Informatik lernt, fordert dies von den Lehrenden ein.

Art. 8 Forschung 

Das GI-Mitglied, das auf dem Gebiet der Informatik forscht, hält im Forschungsprozess die Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis ein. Dazu gehören insbesondere die Offenheit und Transparenz im Umgang mit Kritik und Interessenkonflikten, die Fähigkeit zur Äußerung und Akzeptanz von Kritik sowie die Bereitschaft, die Auswirkungen der eigenen wissenschaftlichen Arbeit im Forschungsprozess zu thematisieren. Wissenschaftliche Forschung stößt an Grenzen. Diese müssen verständlich gemacht werden. 

Art. 9 Zivilcourage 

Das GI-Mitglied tritt mit Mut für den Schutz und die Wahrung der Menschenwürde ein, selbst wenn Gesetze, Verträge oder andere Normen dies nicht explizit fordern oder dem gar entgegenstehen. Dies gilt auch in Situationen, in denen seine Pflichten gegenüber Auftraggebenden in Konflikt mit der Verantwortung gegenüber anderweitig Betroffenen stehen. Dies kann in begründeten Ausnahmefällen auch den öffentlichen Hinweis auf Missstände einschließen. 

Art. 10 Soziale Verantwortung 

Das GI-Mitglied soll mit Entwurf, Herstellung, Betrieb und Verwendung von IT-Systemen zur Verbesserung der lokalen und globalen Lebensbedingungen beitragen. Das GI-Mitglied trägt Verantwortung für die sozialen und gesellschaftlichen Auswirkungen seiner Arbeit. Es soll durch seinen Einfluss auf die Positionierung, Vermarktung und Weiterentwicklung von IT-Systemen zu deren sozial verträglicher und nachhaltiger Verwendung beitragen. 

Art. 11 Ermöglichung der Selbstbestimmung 

Das GI-Mitglied wirkt darauf hin, die von IT-Systemen Betroffenen an der Gestaltung dieser Systeme und deren Nutzungsbedingungen angemessen zu beteiligen. Dies gilt insbesondere für Systeme, die zur Beeinflussung, Kontrolle und Überwachung der Betroffenen verwendet werden können. 

Art. 12 Die Gesellschaft für Informatik 

Die Gesellschaft für Informatik ermutigt ihre Mitglieder, sich in jeder Situation an den Leitlinien zu orientieren. In Konfliktfällen versucht die GI zwischen den Beteiligten zu vermitteln. 

Kontakt

Dr. Stefan Ullrich (E-Mail)
Fachgruppe Informatik und Ethik